Rote Liste der Farn- und Samenpflanzen Hessens

4. Fassung. Erstellt von der Arbeitsgruppe "Rote Liste der Farn- und Samenpflanzen Hessens" der Botanischen Vereinigung für Naturschutz in Hessen e. V. (BVNH) im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz (HMULV)


Stand 31. Oktober 2008

Gefährdungsursachen


Die Mehrzahl der in der Roten Liste aufgeführten Arten sind von land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsformen oder von Siedlungsstrukturen abhängig. Als wichtige Gefährdungsursachen für diese Arten sind zu nennen:


Aufgabe der Grünlandwirtschaft auf ertragsschwachen oder schwierig zu bearbeitenden Böden

Von den bekannten Gefährdungsursachen ist dies die schwerwiegendste, die für den Rückgang und das Aussterben vieler Arten verantwortlich ist. So sind die sehr verschiedenartigen Typen von Magerrasen und Heiden, die zumeist ausgesprochen reich an spezifischen Arten sind, auf eine kontinuierliche Nutzung durch Mahd oder Beweidung angewiesen. Andernfalls kommt es im generell für das Gehölzwachstum günstigen Klima von Hessen spätestens nach wenigen Jahrzehnten zu einer Verbuschung und damit zum weitgehenden Verschwinden der spezifischen, lichtliebenden Arten. Zumeist wird aber versucht, das "nutzlos" gewordene "Ödland" neu zu nutzen, wobei die Aufforstung an erster Stelle steht. In dicht besiedelten Gebieten wurden derartige Flächen oft für Siedlungserweiterungen und Verkehrswege genutzt.
Viele Arten der Naß-, Niedermoor- und Salzwiesen sind ebenfalls auf eine regelmäßige Nutzung angewiesen. Wird sie unterlassen, entwickeln sich innerhalb weniger Jahre Massenbestände einzelner konkurrenzstarker Arten.
Obwohl der Viehbestand in diesem Jahrhundert generell angestiegen ist, werden bei gestiegenen Grünlanderträgen, verbesserten Ernte- und Konservierungstechniken und nicht zuletzt umfangreichen Futtermittelimporten nur noch standörtlich günstige Flächen zur Ernährung des Viehbestandes benötigt. Im Falle der für Magerrasen wichtigen Schafbeweidung führten Fleisch- und Wollimporte zu einem starken Rückgang der Wanderschäferei.

Intensivierung der Grünlandwirtschaft auf ertragsschwachen oder schwierig zu bewirtschaftenden Böden

Insbesondere in den dreißiger Jahren wurden große Anstrengungen unternommen, um auf von Natur aus ertragsarmen Flächen höhere Grünlanderträge zu erwirtschaften. So wurden die großteils mit Magerrasen bewachsenen Gemeindeweiden von Westerwald, Rhön und Vogelsberg unter großem Arbeitseinsatz entsteint und damit mähbar gemacht. Das entstandene Mähgrünland wurde gedüngt. Im Rahmen des Rückzug der Landwirtschaft auf günstige Standorte wurden die Nutzung dieser Flächen vielerorts wieder eingestellt, oftmals erfolgte eine Aufforstung.

Trockenlegung von Grünland

In Folge der Trockenlegung von Naßgrünland kommt es meist zu einer starken Intensivierung der Grünlandnutzung, oft sogar zur Umwandlung in Ackerland. Die großflächigen Trockenlegungen in der Rheinebene, aber auch in den anderen Auenlandschaften haben starke Auswirkungen auf Grünlandarten gehabt und ehemals hier recht häufige Arten des wechselfeuchten Grünland an den Rand des Aussterbens gebracht. Die mehr punktuellen Maßnahmen im Mittelgebirgsbereich haben zum Aussterben einer Vielzahl von "Moorpflanzen" geführt, die auf die oftmals nur sehr kleinflächigen Quellbereiche oder Vermoorungen angewiesen sind. Von herausragender Bedeutung für das Aussterben von Pflanzenarten in Hessen war die Trockenlegung des Hengsters bei Heusenstamm.

Aufgabe des Ackerbaus auf ertragsschwachen oder schwierig zu bearbeitenden Böden

Viele Ackerbaubegleiter finden sich nur in Äckern auf Kalkgestein und verschwinden weitgehend mit der Aufgabe der Ackernutzung. In geringerem Maße besitzen auch Ackerflächen auf basenarmen Sand- oder Schieferböden spezifische Arten. Auch durch die Aufgabe des Weinbaus in Steillagen verschwinden sowohl die speziellen Weinbauunkräuter als auch Arten der Magerrasen und Felsspaltenvegetation. In den Hochlagen der Mittelgebirge wurden ehemalige Ackerflächen großflächig in Grünland umgewandelt.

Aufgabe von Nieder- und Mittelwaldwirtschaft sowie Waldweide und Streusammeln

Diese ehemals großflächig betriebenen Waldnutzungen führten zu wesentlich lichteren Waldtypen, die sich von den heute verbreiteten Altersklassenwäldern deutlich unterschieden. Vielerorts war eine parkartige Landschaft mit starker Durchdringung von Grünland und Wald vorhanden, die den Arten der Magerrasen und der Säume gute Bedingungen bot.

Intensivierung der Teichnutzung

Hessen war früher arm an natürlichen Stillgewässern, ausgenommen in den Auen der großen Flüsse. Durch die Anlage von Fischteichen wurden in großem Umfang Standorte für Wasser- und Sumpfpflanzen geschaffen. Die Intensivierung der Fischwirtschaft, die Einleitung nährstoffreichen Wassers sowie gelegentlich starker Badebetrieb haben die Lebensbedingungen für Arten, die auf nährstoffarmes Wasser angewiesen sind, in den letzten Jahrzehnten erheblich verschlechtert.

Veränderungen in Siedlungen

Solange in Dörfern nahezu jeder Haushalt Landwirtschaft betrieb, Viehtrieb alltäglich und die Abwasser- und Abfallentsorgung kaum geregelt war, waren nährstoffliebende Arten allgegenwärtig. Durch den starken Rückgang des Viehtriebs, die Einstellung der Kleintierhaltung, die Umwandlung von Nutz- in Ziergärten sowie die geregelte Müll- und Abwasserentsorgung haben sich für ehemals typische Dorfarten die Lebensbedingungen extrem verschlechtert. Noch vor wenigen Jahrzehnten häufige Arten wie der Gute Heinrich (Chenopodium bonus-henricus) sind gebietsweise nahezu verschwunden.


Daneben sind Arten der Fließgewässer und Moore, also der Lebensräume, die ursprünglich nur unter geringem menschlichen Einfluß standen, in hohem Maße gefährdet. Hier wirken sich vor allem folgende Gefährdungsursachen aus:

Eingriffe in Fließgewässer

Die Begradigung bis hin zur Kanalisierung der großen und mittelgroßen Fließgewässer hat den Arten der Altwässer, Schlamm- und Schotterbänke und Auenwälder weitgehend den Lebensraum genommen.

Verschmutzung von Fließgewässern

Durch Nährstoffeintrag wurden insbesondere kleinere und mittlere Fließgewässer stark verändert. Auf nährstoffarme Fließgewässer angewiesene Arten haben dadurch nahezu vollständig ihre Wuchsorte verloren.

Entwässerung und Abbau von Mooren

Die wenigen natürlich waldfreien hessischen Moore wurden durch Entwässerung und im Falle des Roten Moores in der Hochrhön auch durch Torfabbau stark verändert. Bei in abflußlosen Senken gelegenen Mooren wirkt sich überdies der Nährstoffeintrag umliegender Landwirtschaftsflächen negativ aus.

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